Die Nachbildung der Eisenbahnwerkstatt im Modell im Maßstab 1:400 entstand auf Basis zweier wissenschaftlichen Arbeiten in den Jahren 2017 und 2018 sowie 2021 und 2022.
Gewählt wurde für die Rekonstruktion der Ausbauzustand um das Jahr 1914. Zum einen lässt für diese Zeit die Quellenlage eine fundierte Umsetzung ins Modell zu, zum anderen ist dies die Ausbaustufe mit der größten Verdichtung auf dem Areal und daher optisch sehr interessant. Die Rekonstruktion der Bebauung auf dem Werkstattareal, sowie um die Werkstatt herum, stützt sich dabei auf Schrift- und Bildquellen in Form von Primär- und Sekundärquellen, Archivmaterialien, Ansichtskarten, Lithografien und Lagepläne.
Kurz zum historischen Hintergrund der Werkstatt: Die Greifswalder Werkstatt entstand zeitgleich mit dem Bau der Eisenbahnstrecke von Angermünde nach Stralsund als Abzweig der schon bestehenden Strecke von Berlin nach Stettin. Am 20. Oktober 1863 erfolgte die offizielle Eröffnung der Werkstatt, die fortan für den gesamten Vorpommerschen Raum zuständig war. Das Areal für Werkstatt und Bahnhof wurde von der Stadt Greifswald unentgeltlich zur Verfügung gestellt, das Potenzial, welches in der Eisenbahn als wirtschaftlicher Faktor und Indikator für eine mögliche industrielle Entwicklung lag, wurde damals erkannt.
Das Werkstattareal ist ein nach Nordosten zeigendes Dreieck, begrenzt durch die Bahntrasse auf der Längsseite und durch Straßenverläufe auf den beiden kleineren Seiten. Diese Begrenzung und der daraus resultierende Einschluss des Areals sollten in den 1920er Jahren im Zuge der neu gegründeten Deutschen Reichsbahn und deren Neu- und Umstrukturierung der Eisenbahn auf deutschem Boden zum Ende der Werkstatt führen. 1926 wurde die Werkstatt geschlossen.
Das Modell besteht insgesamt aus vier Einheiten. Von unten nach oben betrachtet sind das der Standfuß, die Präsentationsfläche mit Teilen der Stadtbebauung und das Werkstattareal. Auf der Präsentationsfläche, die aus zwei Modulen besteht, sind das Bahnhofsareal mit den Streckengleisen nach Anklam/Berlin sowie Stralsund, der Güterschuppen mit Zufahrt, die Bahnhofstraße mit Bebauung, die Fleischervorstadt mit Bebauung, das Bahnbetriebswerk und natürlich das Werkstattareal dargestellt. Diese zwei Module haben je eine Abmessung von 100 x 75 cm und eine Höhe (ohne Bebauung) von 10 cm. Zusammen haben die Module damit eine Kantenlänge von 100 x 150 cm. An der Trennstelle sind die beiden Module mit Schrauben und Muttern fixiert. Das eigentliche Werkstattareal ist auf einer separaten Grundfläche aufgebaut, die genau die Form des Areals hat. Diese Grundfläche kann in die Bebauung auf den Modulen eingesetzt werden und wird durch die umgebenden Aufbauten fixiert. Der Sockel hat eine Kantenlänge von 85 x 65 cm und eine Höhe von 100 cm. Die Betrachtungshöhe des Schaustücks liegt somit, ohne die Nachbildung der städtischen Bebauung, bei 110 cm. Unter dem Standfuß sind Filzgleiter angebracht, zur Schonung des Bodens und zur einfacheren Verschiebung des gesamten Modells. Die zwei Modulkästen rasten beim Aufsetzen durch das Eigengewicht des Aufbaus in Aussparungen im Standfuß fest ein. Durch den zurückgesetzten Sockel kragt die Präsentationsfläche in den Raum hinein, dadurch wird ein nahes Herantreten an das Modell gewährleistet. Dazu passend ist das gesamte Schaustück auch komplett von allen vier Seiten ausgestaltet, das Werkstattareal und die umliegenden Bereiche lassen sich somit durch ein Umrunden komplett entdecken. Als Material wurde PVC Hartschaum gewählt, mit Verstrebungen im Inneren. Ein Verzug der Bauteile ist durch diese Materialwahl und aufgrund dieser Konstruktion in Zukunft auch bei schwankenden Temperaturen, Feuchtigkeit oder sonstigem nicht zu erwarten. Bis auf das Werkstattareal ist das gesamte Schaustück in einem grauen Farbton lackiert, durch die Einheitlichkeit fällt die Werkstatt dem Betrachter direkt beim Herantreten an das Schaustück ins Auge. Der Standfuß ist dabei um geringe Nuancen dunkler als der obere, überkragende Aufbau, dadurch wird der Blick unbewusst direkt auf den helleren Bereich gelenkt. Zudem sind keine Nägel oder Schrauben verwendet worden, alles ist verklebt, wodurch im Rahmenaufbau keine sichtbaren Störelemente vorhanden sind.
Das Schaustück ist komplett mit Beschriftungen versehen. Die Baulichkeiten um die Eisenbahnwerkstatt herum sind direkt beschriftet, das umfasst den Bahnhof und dessen Nebengebäude, das Bahnbetriebswerk, den Güterschuppen sowie im Vordergrund die katholische St. Joseph Kirche und alle Straßennamen. Durch das Anbringen der Beschriftung direkt auf dem Schaustück wird der Betrachter ebenfalls eingeladen, um das Modell herumzugehen und die diversen Bereiche zu entdecken. Bei dieser Gelegenheit können auch wieder die Werkstattbereiche, die mit Zahlen versehen sind, eingesehen werden. Die ergänzenden Beschriftungen zu den Zahlen stehen im rechten, vorderen Bereich des Schaustücks. Auf der anderen Seite, links, ist ein Nordpfeil und die Erklärung, worum es sich bei dem Modell überhaupt handelt, inklusive der Jahreszahl des Rekonstruktionszustandes und die Maßstabsangabe.
Ab Juni 2022 konnte das Modell zusammen mit einer kleinen Ausstellung, die auf die Geschichte der Werkstatt eingeht, im Greifswalder Kulturbahnhof gezeigt werden. Die Ausstellung wurde von uns entworfen und Kuratiert, wodurch alles auf das Modell, das im Zentrum steht, ausgerichtet werden konnte. Folgende Bilder stammen aus besagter Ausstellung.
Wenn Sie sich noch tiefer in das Thema einlesen möchten, steht Ihnen folgender Aufsatz zur Verfügung:
Engberding, Sven: Die Bedeutung der Eisenbahnwerkstatt Greifswald für die Stadtentwicklung, in: Zeitgeschichte Regional. Mitteilungen aus Mecklenburg–Vorpommern, 23. Jahrgang, Heft 1 und 2, Dezember 2019.